Abschlussbericht des Windkraftforums Ebsdorfergrund – eine gute Bilanz für die Bürgerinnen und Bürger der betroffenen Gemeinden?

Eine kritische Betrachtung der Bürgerinitiative Wald-ohne-Windkraft e.V.

In einem sog. „Windkraftforum Ebsdorfergrund“ (WKF), haben sich seit Sommer 2018 Vertreter der Projektierer und Flächenbesitzer auf der einen Seite sowie Vertreter der Gemeinde Ebsdorfergrund, Ortsvorsteher, Fraktionsvorsitzende und BürgerInnen auf der anderen Seite in einem informellen Dialog über verschiedene Themen der konkreten Planungen im Windvorranggebiet 3141 auf dem bewaldeten Höhenrücken zwischen den Gemeinden Allendorf/Lumda , Rabenau und Ebsdorfergrund ausgetauscht.

Die im Dezember 2018 veröffentlichten Ergebnisse des WKF hat die Bürgerinitiative Wald-ohne-Windkraft e.V. (BI WoW) nachfolgend einer Bewertung unterzogen:

  1. Reduktion der Anzahl Windenergieanlagen (WEA)

Die Streichung von 8 der ursprünglich 24 geplanten WEA ist natürlich zu begrüßen. 4 der gestrichenen WEA wurden allerdings bereits vor der ersten Sitzung des WKF Ende Mai 2018 aus der Planung genommen. Die konkreten Gründe, die vor oder während der Gespräche im WKF zur Streichung der WEA geführt haben, wurden in dem Ergebnisbericht nicht dargelegt. Auch wurden der Öffentlichkeit keine Planungskarten zugänglich gemacht, die die ursprünglich geplanten und nach aktueller Planung noch verbleibenden genauen Standorte im gesamten Vorranggebiet auf einen Blick ausweisen.

Festzuhalten bleibt, dass die verbleibenden 16 WEA mit einer gigantischen Gesamthöhe von 241 m und einem riesigen Rotordurchmesser von 150 m immer noch eine massive Zerstörung des Landschaftsbildes und des Waldes als Lebensraum für Flora und Fauna und als Erholungsraum für die BürgerInnen der betroffenen Gemeinden bedeuten würden.

Die Ankündigung der Projektierer, keine weiteren WEA in der ausgewiesenen Vorrangfläche zu planen, ist aus Sicht der BI WoW wenig wert, da im WKF keine Regelungen mit rechtlicher Bindungswirkung getroffen wurden. Mögliche andere Projektierer dürften sich später erst recht nicht an die Vereinbarungen des WKF gebunden fühlen.

  • Vergrößerung der Abstände von WEA zur Wohnbebauung

Die gegenüber der ursprünglichen Planung vergrößerten Abstände zu den Ortsteilen Wermertshausen auf 1400 m und Dreihausen auf 1300 sind angesichts der monströsen Höhe und Rotordurchmesser der WEA immer noch zu gering. Die Belastung der betreffenden Ortsteile durch die optische Bedrängungswirkung sowie durch Schall und Schattenschlag wird damit nicht ausreichend vermindert. Für Roßberg und die Gemeinde Allendorf/Lumda (Ortsteile Nordeck und Winnen) bleibt sie unverändert hoch. Die gesetzliche Abstandsregelung von nur 1.000 m stammt aus einer Zeit, als WEA kaum halb so hoch gebaut wurden!

Ob die Rotorblätter der WEA wie von den Projektierern angekündigt, mit sog. „Serrations“ ausgestattet werden und ob diese tatsächlich zu einer ausreichenden Reduktion der Geräuschbelastung führen, bleibt abzuwarten. Wie bereits erwähnt, sind die Zusagen der Projektierer rechtlich nicht bindend.

  • Vergrößerung des Abstands einer WEA zur Landessammelstelle für radioaktive Abfälle

In der Nähe der Landessammelstelle für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle (LSSt) befinden sich nach den Planungen mehrere WEA-Standorte. Nach einer Risikobewertung des TÜV Nord wurde die Planung noch einmal angepasst und der Abstand der nächstgelegenen WEA von 300 m auf ca. 330 m vergrößert. Das zugrunde liegende TÜV-Gutachten wurde bisher nicht veröffentlicht, so dass unklar ist, welche Risiken überhaupt betrachtet wurden und wie ein offensichtlich erkanntes Risiko durch eine Vergrößerung des Abstandes um nur 30 m beseitigt werden kann.

Selbst bei einem Abstand von 500 m kann nach Einschätzung der BI WoW nicht sicher verhindert werden, dass z. B. durch einen starken Blitzeinschlag in die Gondel oder Rotorblätter einer WEA nach langer Trockenperiode ein großflächiger Waldbrand entsteht und auf die LSSt übergreift. Einen 100-prozentigen Blitzschutz gibt es trotz installierter Blitzableiter nicht. Eine weitere Brandursache kann auch ein technischer Defekt in der Gondel sein.

Hat eine WEA einmal Feuer gefangen, ist die Feuerwehr wegen der Höhe des Brandherdes nicht in der Lage, den Brand zu löschen. Sie kann auch nicht verhindern, dass brennende Teile oder Funken durch die drehenden Rotoren oder Explosionen an den WEA hunderte Meter weit in die Umgebung geschleudert werden und den Wald gleichzeitig an mehreren, womöglich unzugänglichen Stellen in Brand setzen. Wegen der Gefahr herabfallender Teile empfiehlt der Deutsche Feuerwehrverband seinen Mitgliedern in einer Fachempfehlung vom 16.05.2012, das Gelände um die brennende WEA in einem Radius von 500–1000 m abzusperren bzw. unzugänglich zu machen.

Waldbrände können (je nach Art des Baumbestands) eine Temperatur von bis zu 1000°C und – je nach Trockenheit und Windverhältnissen – eine Ausbreitungsgeschwindigkeit von bis zu 100 Metern pro Minute erreichen. Dann dürfte rasch ein großes Gebiet betroffen und die örtliche Feuerwehr vollkommen machtlos sein. Würde ein Waldbrand auch auf die LSSt übergreifen, ist fraglich, ob und wie lange die darin lagernden Fässer mit den radioaktiven Stoffen den hohen Temperaturen durch das Feuer tatsächlich standhalten können. Belastbare Unterlagen zum Brandschutz der Fässer, die die Sorgen und Bedenken ausräumen könnten, wurden der Öffentlichkeit bislang nicht zugänglich gemacht.

  • Keine WEA im Wasserschutzgebiet von Wermertshausen

Die Tatsache, dass keine WEA mehr im Trinkwasserschutzgebiet von Wermertshausen errichtet werden soll, ist natürlich eine gute Nachricht für Wermertshausen. Keine guten Nachrichten gibt es dagegen für die Gemeinden Rabenau und Allendorf/Lumda. Einige der geplanten 16 WEA sollen in ausgewiesenen Trinkwasserschutzzonen errichtet werden, aus denen Trinkwasser für die Ortsteile Londorf, Nordeck und Winnen gewonnen wird. Sowohl beim Bau als auch während des Betriebs besteht latent die Gefahr der Verunreinigung des Trinkwassers, z. B. durch den Eintrag wassergefährdender Stoffe, wie Beton oder Betriebsstoffe (Öle, Kühlmittel, Kraftstoffe). Darüber hinaus hat die großflächige Zerstörung der oberen Bodenschichten eine Verschlechterung der Trinkwasserqualität durch Verminderung der Filtereffekte zur Folge.

Die Hochwasser-Gefahr, die sich durch die massiven Rodungen und Bodenverdichtungen beim Bau und Betrieb der Anlagen signifikant erhöht, wurde offenbar im WKF nicht diskutiert. Sie betrifft wiederum besonders die Gemeinde Allendorf-Lumda, da mehrere WEA am Oberlauf einiger Zuflüsse der Lumda geplant sind. Es ist allgemein bekannt, dass bei sogenannten Starkregenereignissen, wie wir sie in den letzten Jahren vermehrt zu verzeichnen hatten, durch das beschleunigte Abflussverhalten auf gerodeten und verdichteten Flächen die Hochwassergefahr in den Talgemeinden zwangläufig zunimmt.

  • Ausgleichsmaßnahmen und -zahlungen der Projektierer und Flächenbesitzer an die Gemeinden

Die angekündigten Ausgleichsmaßnahmen und -zahlungen der Projektierer und das Angebot des Landes Hessen, die betroffenen Kommunen an den Pachteinnahmen zu beteiligen (sog. „Windenergiedividende“), werden ihrer Art und Höhe nach in dem Bericht des WKF nicht näher erläutert.

Die massive Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und die Zerstörung des Waldes durch die hohe Zahl der riesigen, viele Kilometer weit sichtbaren WEA, die Minderung der Lebensqualität für die BürgerInnen und den finanziellen Schaden für die Gemeinden durch den Verlust an Attraktivität für Alt- und Neubürger sowie für Touristen werden die Zahlungen ohnehin niemals ausgleichen können.

  • Angebot an die BürgerInnen zur finanziellen Beteiligung an einer WEA („Bürgerwindrad“)

Das Angebot der Projektierer, BürgerInnen direkt oder indirekt an einer WEA zu beteiligen, muss sehr kritisch betrachtet werden. Die finanzielle Beteiligung an einer WEA, deren Dividende von ihrer tatsächlichen Leistung abhängig ist, ist besonders für Kleinanleger mit hohen Risiken verbunden. WEA lohnen sich vor allem für die Projektierer durch den Verkauf und für die Flächenbesitzer durch die Pachteinnahmen. Die Ertragsprognosen der Projektierer sind häufig geschönt und halten der Realität nicht stand. Im Laufe der Jahre wird die Gewinnerwartung der Betreiber durch die verschleißbedingte Leistungsabnahme der WEA sowie durch den zunehmenden Reparatur- und Wartungsbedarf zusätzlich belastet. Spätestens am Ende der Lebensdauer einer WEA mündet die Gesamtbilanz wegen gestiegener und nicht gedeckter Rückbaukosten häufig in einem Verlust.

Aus diesen Gründen haben in der Vergangenheit viele Betreiber von WEA trotz Abschöpfung von Fördergeldern über die EEG-Umlage Verluste erwirtschaftet. Einige mussten sogar Insolvenz anmelden (z. B. Prokon Regenerative Energien eG, Windwärts Energie GmbH, Windreich GmbH). Im Jahr 2016 musste die Projektfirma JUWI AG nach einem Rechtsstreit mit einem Betreiber wegen zu hoher Ertragsprognosen sogar mehrere WEA zurückkaufen. Geht der Betreiber in Insolvenz, droht dem Anleger der Totalverlust seiner Investition und den Flächenbesitzern der Ausfall der Pacht, im schlimmsten Fall sogar die Pflicht zur Übernahme der Rückbaukosten.

Nicht umsonst haben die Stadt Amöneburg, die Gemeinde Cölbe und die Stadtwerke Marburg im Jahr 2015 auf eine Beteiligung an den ebenfalls von der JUWI AG projektierten WEA verzichtet. Auch die Zeitschrift FINANZTEST kommt in ihrer Ausgabe 11/2018 zu dem Schluss, dass in Bürgerwindparks nur investieren sollte, wer einen Totalverlust verkraften kann.

Fazit:

In der Gesamtschau müssen die Ergebnisse des WKF aus Sicht der von den Planungen betroffenen BürgerInnen und Gemeinden als kaum zufriedenstellend bewertet werden. Als wirklich positives Ergebnis bleibt die Ankündigung der Projektierer, ein förmliches Genehmigungsverfahren mit einer verpflichtenden Öffentlichkeitsbeteiligung zu beantragen. Im Übrigen sind die Zusagen der Projektierer und des Landes Hessen vage und ohne rechtliche Bindungswirkung.

Die BI WoW wird daher den Kampf gegen die Planungen mit aller Kraft weiterführen und hofft dabei darauf, dass die betroffenen Gemeinden ihre Möglichkeiten im Genehmigungsverfahren nutzen, um zumindest eine deutliche Verringerung der WEA-Anzahl zu erreichen. Der Vorstand der Gemeinde Ebsdorfergrund hat bereits erklärt, sich für eine weitere Reduktion der Anlagen einsetzen zu wollen, weil sie die auf ihrem Gebiet noch geplanten 12 Anlagen ebenfalls für viel zu viel hält.

Wie die Gemeinde Ebsdorfergrund stellt auch die BI WoW die Ziele der Energiewende nicht grundsätzlich in Frage. Sie erlaubt sich aber, die Frage nach Nutzen und Risiken der Windkraft in dichtbesiedelten und windschwachen Gebieten, auch und vor allem im Wald, zu stellen. Bei der Energiewende dürfen Natur- und Artenschutz sowie die berechtigten Interessen der betroffenen BürgerInnen vor Ort nicht völlig unter die (Wind)Räder geraten!

Für den Vorstand der Bürgerinitiative „Wald ohne Windkraft (WoW) e.V.“

Klaus Neebe                             Hanne Büsken                           Lothar Briel

1. Vors. BI WoW                     2. Vors. BI WoW                        2. Vors. BI Wow

Verteiler

Die Bürgermeister der Gemeinden Allendorf (Lumda), Ebsdorfergrund, Rabenau

Fraktionsvorsitzende aller im Stadtrat/Gemeindeparlament vertretenen Parteien

Örtliche Presse

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Information veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.